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Warum spricht mein Kind (noch) nicht?

Kind spricht nicht, Mama verzweifelt

Mein Kind ist schon älter als ein Jahr und spricht noch nicht oder erst sehr wenig. Warum spricht mein Kind noch nicht oder sehr wenig? Müssen Sie sich als Elternteil Sorgen machen? In diesem Artikel geht es vor allem darum, was es braucht, damit sich Sprache bei einem Kind überhaupt entwickeln kann.

Wenn mein Kind noch nicht spricht …

Wenn ein Kind noch nicht spricht, obwohl es eigentlich schon sollte, dann hat es meistens wichtige vorsprachliche Fähigkeiten noch nicht erlernt, damit sich Sprache entwickeln kann. Und eines vorweg: Sie können ausschließen, dass Ihr Kind einfach nicht sprechen will. Wenn ein Kind sprechen kann, dann wird es das auch tun. Denn dadurch hat es einen entscheidenden Vorteil. Wir Menschen benutzen Sprache, um uns auszutauschen, um unsere Wünsche und Absichten mitzuteilen und Informationen weiter zu geben. Dadurch unterscheiden wir uns auch stark von den meisten anderen Lebewesen. Und auch in der Sprachentwicklung wird dieser Vorteil, den uns Sprache bringt, deutlich. Sobald ein Kind erste Wörter spricht, kann es sich besser mitteilen. Es wird von Mama oder Papa oder anderen Bezugspersonen besser verstanden und so wird das Zusammenleben einfacher. Auch lernen Kleinkinder über Sprache. Denn über neue Wörter lernen sie neue Objekte kennen, sie verstehen Erklärungen von Zusammenhängen in der Welt und verstehen alltägliche Abläufe besser.

Wenn ein Kind mit zwei Jahren beispielsweise noch sehr wenig oder gar nichts spricht, entgehen ihm all diese Vorteile. Die Eltern können oft erraten, was das Kind will, aber es kommt trotzdem öfters zu Missverständnissen und zur Unzufriedenheit im gemeinsamen Familienleben. Es ist also sehr wohl sinnvoll, frühzeitig etwas zu unternehmen und dem Kind Hilfestellungen zu geben.

Wo liegt das eigentliche Problem?

Ich habe vorhin über so genannte sprachliche Vorläuferfähigkeiten gesprochen, die entwickelt sein sollen, damit sich Sprache gut entwickelt. Wenn Sprache nicht kommt und ich formuliere das bewusst ein wenig passiv, dann liegen meist Defizite in anderen Bereichen vor. Mit passiv ist gemeint, dass sich das Kind nicht hinsetzen muss und Vokabeln und Grammatik pauken muss, um seine Muttersprache zu lernen. Ein Kind lernt Sprache im Alltag, in all den unzähligen Interaktionen, die es täglich mit seinen Mitmenschen macht.

Es gibt drei wichtige Fähigkeiten, die bei Ihrem Kind ausgeprägt sein sollen, damit Sprache entstehen kann:

  1. Ihr Kind muss sich selber als eigenständige Person wahrnehmen.
  2. Ihr Kind muss Mitmenschen als Interaktionspartner erkennen, mit denen es sich austauschen will.
  3. Ihr Kind muss Informationen über die Gegenstände gesammelt haben und sich eine Abstraktion / ein Bild davon machen. (zu dem später ein Wort dazu geknüpft wird)

1. Ihr Kind muss Mitmenschen als Interaktionspartner erkennen, mit denen es sich austauschen will.

Ein Kind muss wissen, dass es eine andere Person ist als die Mama oder der Papa. Es ist ein Individuum, d.h. ein eigenständiges Wesen. Mit anderen Wünschen, Interessen und Absichten als z.B. seine Eltern oder Geschwister. Es muss sich selber wahrnehmen. Das Wörtchen “ich” spielt in dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle. Warum ist es wichtig, dass ein Kind sich selber als Person wahrnimmt? Erst dann wird es fähig sein, seine Bedürfnisse als eigene zu erkennen und diese über Sprache auszudrücken. Es kann sich zum Gegenüber abgrenzen und dazu wird es auch Sprache benötigen. Das bringt mich zum nächsten Punkt.

2. Ihr Kind muss sich selber als eigenständige Person wahrnehmen.

Ein Kind muss Interesse am Gegenüber zeigen. D.h. es geht auf andere Menschen zu und interessiert sich, was diese machen. Entscheidend ist hier der Blickkontakt. Der Blickkontakt ist ein wichtiges körpereigenes Instrument, um Kontakt zum Anderen aufzubauen. Ein Kind sollte also andere Menschen anschauen und diese miteinbeziehen, z.B. mitspielen lassen. Auch die Zeigegeste ist hier relevant. Denn über die Zeigegeste orientiert sich das Kind am Gegenüber. Es zeigt auf einen Gegenstand und fragt den anderen darüber etwas; z.B.  “Schau mal, was da ist!”

3. Ihr Kind muss Informationen über die Gegenstände gesammelt haben und sich eine Abstraktion / ein Bild davon machen. (zu dem später ein Wort dazu geknüpft wird)

Sobald Kinder auf der Welt sind, erkunden sie die Umgebung. Erst mit den Augen, dann mit dem Mund und mit den Händen. Sie erforschen und beobachten Gegenstände um sich herum, wie sie ausschauen, wie sie sich bewegen, wie sie sich vielleicht verändern, was man damit tun kann, usw. Wenn Kinder die Eigenschaften der Objekte lang genug untersucht haben, können sie sich ein Bild von einem Gegenstand in ihrem Kopf machen und diesen Gegenstand abstrahieren. Das ist eine große Leistung. Ich erkläre es am Beispiel eines Balles. Ihr Kind kennt den gepunkteten Ball aus seinem Spielzimmer. Am nächsten Tag sieht es, wie der Nachbarjunge einen Fußball schießt. Wieder an einem anderen Tag bekommt es einen weiteren Ball geschenkt, der hüpft und aus Gummi ist. Das Kind lernt beim Beobachten genau, dass ein Ball rund ist und rollt. Und diese Eigenschaften überträgt es auf andere Bälle; somit erkennt es einen Ball sofort. Es hat auch ein bestimmtes Bild von einem Ball im Kopf abgespeichert. Warum ist das wichtig? Weil es eine Abstraktionsleistung ist. Wenn ein Kind nicht abstrahieren kann, wird es keine Wörter zuordnen lernen. Es muss nämlich in einem weiteren Schritt verstehen, dass vieles, was rund ist und rollt, als Ball bezeichnet wird. Ohne diese Abstraktionsleistung, d.h. dass von einem konkreten Gegenstand auf ein bestimmtes Objekt abstrahiert wird oder von einer konkreten Tätigkeit, wird das Kind keine Wörter zuordnen können. Ein Kind, das kein Bild von einem Ball im Kopf hat, wird nicht lernen, dass man dieses Objekt als Ball bezeichnet.

Fazit

Wenn Ihr Kind also noch nicht wirklich in die Sprache gekommen ist, könnte es sein, dass es in den so genannten sprachlichen Vorläuferfähigkeiten mehr Hilfe benötigt. Es bringt also wenig, es z.B. aufzufordern,  einzelne Wörter nachzusprechen, wenn es dazu einfach noch nicht in der Lage ist. Viel wichtiger ist zu erkennen, wo genau das Problem beim Kind liegt. Es hat mit Sicherheit in einem der o.g. Bereiche Aufholbedarf. Ich gehe hier von einer sonstigen normalen Entwicklung (ohne ein spezielles, zugrunde liegendes Krankheitssyndrom) aus.

Ein Kind, das noch sehr wenig spricht, wird häufig als Late Talker bezeichnet. Was das genau bedeutet, wie Sie erkennen, ob Ihr Kind ein Late Talker ist und was Sie tun können, erfahren Sie hier.

 

 

 

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Sprachverständnis: Wenn (m)ein Kind mich nicht versteht

Kind weint, Mama verzweifelt, Mama versteht nicht

Obwohl das Sprachverständnis in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit bekommen hat, wird dem Sprachverständnis meist weniger Bedeutung zugemessen als der Sprachproduktion. Dabei ist es mindestens genauso wichtig, wieviel und ob ein Kind versteht als wieviele Wörter es aktiv spricht.

Sprachverständnis verlangt komplexe kognitive Fähigkeiten

Wenn es ums Sprachverständnis geht, wird einmal mehr deutlich, dass Sprache kein isolierter Baustein in unserem Kopf ist. Die Verarbeitung von Sprache verlangt komplexe kognitive Fähigkeiten. Es schließt z.B. mit ein, dass ein Kind Wissen über die Dinge der Umwelt hat, dass es Wissen von sich selber und seiner Wahrnehmung hat, dass es den anderen als Gesprächspartner erkennt, dass Wörter nur Symbole sind und sich auf Dinge beziehen, die in der Umwelt vorhanden sind, dass man jemanden anschaut beim Sprechen, dass man sich beim Sprechen abwechselt, dass man im Kopf ein Bild von einem Gegenstand bilden kann, uvm.

Das Sprachverständnis zeigt sich anhand verschiedener Reaktionen, je nach Alter und Entwicklungsstatus des Kindes. Bereits am Ende des ersten Jahres lässt sich erkennen, ob ein Kind Sprachverständnis entwickelt oder nicht. In dieser Phase wird der referentielle Blick oder trianguläre Blickkontakt (Dreiecksblick) erworben. Das Kind schaut auf ein Objekt und auf eine Person, mit der es interagiert. Es entsteht ein Dreieck zwischen dem Kleinkind dem Gegenstand und der interagierenden Person. Kinder mit Sprachverständnisproblemen zeigen diesen Blick nicht; schauen also nicht auf den Gegenstand und/oder nicht auf den Interaktionspartner. Sie stellen keinen Bezug zwischen einem Wort (z.B. Wortlaut Apfel) und dem bezeichneten Gegenstand (z.B. Objekt Apfel) her, verstehen also nicht was mit Wörtern gemeint ist. Diese Kinder lernen Sprache oft verspätet. Auch eine erste Art des Fragens, was Kinder durch Objekte zeigen (z.B. Kind zeigt Mama einen Apfel und Mama antwortet “Ui, einen Apfel hast du da”) und Objekte geben ausdrücken, bleibt aus.

Sprachverständnisprobleme im 2. Lebensjahr

Ein ganz entscheidender Moment für den Spracherwerb ergibt sich um die 18 Monate. Kinder lernen, dass sie mit ihren Handlungen etwas bewirken. Sie malen z.B. einen Strich auf das Papier und erkennen, dass das Blatt nicht mehr ganz weiß ist und dass sie dafür verantwortlich waren. Das zeigt sich auch in der Sprache. Kinder lernen, dass sie mit Wörtern etwas bewirken können. Wenn sie ein Wort (z.B. Apfel) aussprechen, werden sie vom Gegenüber (meist) verstanden und das Gegenüber führt dann im Idealfall eine Handlung aus (z.B. die Mama gibt dem Kind einen Apfel). Kinder mit Sprachverständnisproblemen verstehen in diesem Alter Wörter meist nur in der Situation, aber nicht darüber hinaus. Sie verstehen das Wort Teddy, wenn gerade mit Kuscheltieren gespielt wird und der Teddy im Raum ist, wissen aber nicht, dass der Teddy gemeint ist, wenn die Mama vom Teddy spricht und der Teddy gar nicht Teil des Spiels ist (z.B. wenn die Mama erzählt, dass der Tiger, mit dem sie spielen, genauso braun ist wie der Teddy). Aber genau das ist ein entscheidender Entwicklungsschritt in der Sprachentwicklung. Denn das macht Sprache aus: dass wir über Dinge, Situationen, Erlebnisse usw. sprechen, die nicht gerade im Raum sind.

Sprachverständnisprobleme im 3. Lebensjahr

Treten Sprachverständnisprobleme im 3. Lebensjahr auf, so zeigen sich diese gern in einer Schlüsselwortstrategie. Kinder haben dann eine Strategie entwickelt, wie sie das Gesagte besser verstehen können. Sie orientieren sich an bestimmten Wörtern und suchen dann nach Handlungen, die typischerweise dazu passen, aber nicht unbedingt zur aktuellen Situation passen müssen. Die Mama fordert beispielsweise das Kind auf, ihr den Traktor zu bringen. Das Kind  weiß, dass es oft gebeten wird, den Traktor aufzuräumen und stellt ihn ins Spieleregal, anstatt ihn der Mama zu bringen. Das Kind versteht also Traktor und assoziiert damit eine typische oder bekannte Handlung, die es dann ausführt.

Auch am häufigen Ja-Sagen erkennt man Kinder mit Sprachverständnisproblemen in diesem Alter. Sie antworten meist mit Ja, damit sie dem Gegenüber zu verstehen geben, sie hätten verstanden und wollen das Gegenüber zum Weitererzählen oder Weiterspielen animieren.

Genauso gut kann es sein, dass Kinder häufig wiederholen, was der Interaktionpartner gesagt hat. Die Wiederholungen treten auffällig häufig auf und sind meist die letzten Worte des Gesagten.

Auch wenn Kinder mit Sprachverständnisproblemen meist lernen, Sätze zu bilden, kann das Sprachverständnis auffällig bleiben. Im Alter von drei bis vier Jahren ist das z.B. dadurch zu erkennen, dass Kinder Sprache nicht wirklich gebrauchen, um etwas zu erreichen, sich mitzuteilen oder auf das Gesagte des Gegenübers einzugehen. Sie verwenden Sprache meist handlungsbegleitend, erzählen also zu dem, was sie gerade tun. Auch Fragen bleiben meist aus.

Sprachverständnisprobleme im Vorschulalter

Bleiben Sprachverständnisprobleme bis ins Vorschulalter bestehen, zeigt sich das mitunter im eingeschränkten Spielverhalten. Kinder können beim Spielen nicht so gut auf die Spielidee ihrer Spielpartner eingehen, weil sie oft nicht verstehen, was diese meinen. Im Morgenkreis im Kindergarten sitzen sie oft unruhig auf dem Stuhl und es fällt ihnen schwer, den Erzählungen der Erzieherin zu folgen. Eine Geschichte kann so gar nicht spannend werden. Im freien Spiel zeigen sich Kinder unruhig und sprunghaft, brechen Spiele häufiger ab, wechseln von einem Spiel zum anderen (so genannte Spielabbrüche) und tun sich insgesamt schwer, sich auf ein gemeinsames Spiel mit ihren Gleichaltrigen einzulassen. 

Sprachverständnis wird von Schulkindern benötigt, um Lernstoff zu erfassen. Die Inhalte werden mündlich wie schriftlich in längeren Erklärungen oder Erzählungen präsentiert. Damit das Erzählte aufgenommen werden kann, ist v.a. Dingen ein kohärentes Sprachverständnis nötig. Das Kind muss fähig sein, die einzelnen Inhalte miteinander zu verknüpfen und als Gesamtes zu verstehen. Sprachverständnis ist demnach absolut wichtig für die Schule. Gerade, wenn es um Schulreife geht, sollten nicht nur die Sprachproduktion sondern auch das Sprachverständnis genau beobachtet werden.

 

 

 

 

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Meilensteine der Sprachentwicklung

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Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Meilensteine in der Sprachentwicklung, die ein Kind im Rahmen einer normalen Entwicklung erlebt. Die Altersangaben sind mehr ein Richtwert und stellen keine verbindliche Norm dar. Der tatsächliche Entwicklungsstand variiert in der Sprachentwicklung individuell.

Sprachentwicklung: 0 bis 6 Monate

Sprachverständnis

Babys können bereits im Bauch der Mutter deren Stimme erkennen. Sie bevorzugen außerdem die Laute ihrer Muttersprache, d.h. sie hören ihr lieber zu als einer anderen Sprache. Mit 3 bis 4 Monaten reagiert das Baby auf den Stimmklang und die Sprachmelodie. So gelingt es ihm, freundliche oder ärgerliche Stimmen voneinander zu unterscheiden.

Sprachproduktion

Mit dem primären Schrei bei der Geburt gibt das Kind seine ersten Laute von sich. Babys kommunizieren durch Schreien und Mimik. Mit etwa 3 Monaten beginnt die erste Phase des Lallens. Mit Lallen sind unspezifische Laute gemeint, die völlig willkürlich aneinandergereiht werden. Babys probieren aus und experimentieren mit den Lauten. Außerdem verwenden Babys nun unterschiedliche Schreie für verschiedene Bedürfnisse. Auch Wegdrehen oder Blickkontakt aufnehmen bzw. verweigern gehören nun zur Kommunikation. Das erste bewusste Lächeln erfolgt.
Mit der Experimentierfreude wachsen ab 4 Monaten auch die Lautarten der Babys. Erst sind Gurrlaute (Laute, die im hinteren Bereich des Mundinneren gebildet werden; wie ngrr oder ngä) zu hören; auch bei gehörlosen Kindern. Später treten Schmatz- und Zischlaute auf, sowie erste Silben. Die Lautbildung ähnelt nun immer mehr der Lautbildung der Muttersprache. D.h., dass Laute, die typisch für die Muttersprache sind, häufiger produziert werden und Laute, die in der Muttersprache nicht vorkommen (z.B. /th/ für das Deutsche), verschwinden langsam.

Sprachentwicklung: 6 bis 12 Monate

Sprachverständnis

Ab einem halben Jahr reagiert das Kind auf seinen Namen. Es lernt die Bedeutung des Wortes nein kennen. Nach und nach lernt es erste Wörter von Gegenständen und Namen seiner Bezugspersonen. Das Baby reagiert z.B., wenn es Papa hört, indem es den Kopf nach ihm dreht. Erst werden v.a. Nomina (Hauptwörter) verstanden. Sie beziehen sich auf Personen oder Gegenstände und sind einfacher zu begreifen. Das Sprachverständnis nimmt allerdings rasch zu und bald versteht das Baby auch einfache Sätze.

Sprachproduktion

Ab einem halben Jahr begint die zweite Phase des Lallens. Man spricht auch vom kanonischen Lallen. Die Laute werden an die Muttersprache angepasst. Es handelt sich um Lautfolgen, die abwechselnd einen Vokal und einen Konsonaten beinhalten, z.B. babababa, dadadada. Das Lautrepertoire erweitert sich. Schließlich variieren auch die Vokale innerhalb der Lautketten. Man spricht von variablem Lallen.

Sprachentwicklung: 12 bis 18 Monate

Sprachverständnis

Das Sprachverständnis nimmt rasch zu. Die Schlüsselwortstrategie wird angewendet. Kleinkinder in diesem Alter schließen von dem Gesagten durch Mimik und Gestik auf die Bedeutung. Durch Hinzeigen oder Zuwenden der Aufmerksamkeit zum Gegenstand können Kinder schnell die Bedeutung erschließen, auch wenn sie das Wort noch nicht kennen. Das Kind hört z.B. Komm, wir setzen die Mütze auf. und sieht gleichzeitig, wie die Mutter die Mütze in der Hand hält und zu ihm schaut.

Sprachproduktion

Mit dem ersten Geburtstag kommt das erste Wort. Das ist eine grobe Faustregel, von der allerdings viele Kinder um ein (paar) Monat(e) plus minus abweichen. Zu Beginn werden v.a. Nomina (Hauptwörter) benannt. Der aktive Wortschatz umfasst bis u einem halben Jahr um die rund 20 Wörter. Auch das ist ein grober Richwert. Die anfänglichen Wörter sind meist sehr vereinfacht. Es treten auch gerne Onomatopoetika (so genannte Lautmalereien) auf, wie z.B. wau-wau, quak-quak, kikeriki. Das Kleinkind wählt nun die Laute gezielt aus, um ein betreffendes Wort korrekt zu sprechen. Es handelt sich nicht mehr nur um zufällige Lautproduktionen. Vor allem die vorne gebildeten Laute p, b, und m werden sicher beherrscht.
Kleinkinder in diesem Alter sprechen noch in Einwortsätzen. Sie nennen ein Wort und meinen damit einen ganzen Satz. So kann das gesprochene Wort Auto bedeuten: Da ist ein Auto oder Gib mir bitte das Auto oder vlt. sogar Fährst du mit dem Auto?.

Sprachentwicklung: 18 bis 24 Monate

Sprachverständnis

Das Sprachverständnis umfasst viel mehr Wörter als der aktive Wortschatz, den sie von ihrem Kind hören. Die Schlüsselwortstrategie wird weiterhin angewendet. Kinder in diesem Alter speichern Situationen zu bestimmten Gegenständen und Wörtern. Wird etwa ein Kind aufgefordert, es soll das Fenster schließen, obwohl es schon zu ist, wird es zum Fenster gehen und es öffnen. In diesem Alter führen sie also Handlungen aus, die zu der Situation passen, die sie kennen. Sie stützen sich beim Verstehen auf einzelne Wörter (siehe oben, Schlüsselwortinterpretation). Fordert man das Kind auf, die Puppe mit dem Löffel zu kämmen, wird es den Löffel nehmen und damit die Puppe füttern, weil es Situation so kennengelernt hat.

Sprachproduktion

Der aktive Wortschatz nimmt weiterhin zu. Ab einem aktiven Wortschatz von ungefähr 50 Wörtern nimmt der Wortschatz explosionsartig zu. Man spricht vom Wortschatzspurt oder Vokabelspurt. Kinder lernen dann täglich meist mehrere Wörter. Es werden nicht nur Wörter sondern auch Verben (Tunwörter) und einzelne Funktionswörter (z.B. auch, nicht, mehr) erworben. Auch die Artikulation wird vielfältiger. Zu den Konsonanten kommen auch Frikativlaute (z.B. f, w, s) hinzu.
Es werden auch erste Zweiwortsätze gebildet. Kinder reihen zwei Wörter aneinander, häufig zwei Nomina oder auch ein Nomen und ein Adjektiv (Eigenschaftswort). Beispiele: Papa Auto, Mama weg, Wau-wau Ball. Hier beginnen Kinder auch, die Intonation aktiv einzubauen. Sie heben z.B. die Satzmelodie am Ende des Satzes, wodurch eine Frage entsteht. Das erste Fragealter beginnt.

Sprachentwicklung: 2 bis 3 Jahre

Sprachverständnis

Spricht man zum Kind in einfachen Sätzen, ähnlich der Produktion des Kindes, versteht das Kind, was gesagt wurde. Es kann auch Sätze mit zwei Objekten verstehen (Stell das Auto in die Garage). Auch einfache Präpositionen (Vorwörter) kennt das Kind mittlerweile. Hierzu zählen v.a. lokale Präpositionen wie auf, unter, in.
Ab dem dritten Lebensjahr entstehen beim Kind erste Repräsentationen. Das sind Vorstellungen, also Bilder im Kopf, zu einem bestimmten Wort. Es entdeckt, dass Wörter auch von anderen Menschen verstanden werden können. Sie hören ein Wort und verstehen es auch (sofern sie es schon kennen), auch wenn der Gegenstand oder die Person des bezeichnendes Wortes nicht gerade im Raum ist.
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Sprachproduktion

Bereits ab 2,5 Jahren ist der aktive Wortschatz soweit fortgeschritten, dass man die Anzahl der Wörter nicht mehr zählen kann. In der Literatur spricht man von rund 450 Wörtern. Wer kann das schon zählen und so genau Notiz führen? Was allerdings gut feststellbar ist, sind die unterschiedlichen Wortarten, die ein Kind verwendet. Es treten im aktiven Wortschatz nun Verben (Tunwörter), Adjektive (Eigenschaftswörter), Artikel, Adverbien (Umstandswörter) und Präpositionen (Vorwörter) auf. Auch Pronomina treten häufiger in Erscheinung (ich, du, mich, sie…). Farben wie Rot, Gelb, Blau und Grün werden richtig benannt.

Jetzt tut sich auch einiges in der Grammatik. Kinder in diesem Alter sprechen in einfachen korrekten Sätzen. Hier ist zu beobachten, dass die Verbzweitstellung korrekt ist. Das heißt, das Verb steht in konjugierter Form korrekt an zweiter Stelle im Satz (z.B. Tim (1) isst (2) Kuchen (3) statt Tim Kuchen essen). Damit einher geht die Verwendung von Hilfverben, die konjugiert auch in der zweiten Stelle im Satz stehen und z.B. für die Bildung der Vergangenheit verwendet werden (z.B. Tim hat einen Kuchen geesst). Gleichzeitig verwenden die Kinder allerdings auch das konjugierte Verb an erster Stelle und bilden damit die Frage korrekt (z.B. Holt Tim Kuchen?). Es kommen teilweise Nebensätze mit und und weil vor. Es werden also bereits zwei Sätze miteinander verbunden.

Sprachentwicklung: 3 bis 4 Jahre

Sprachverständnis

Das Kind versteht kombinierte Aufträge, d.h. zwei aneinander gereihte Handlungen (Z.B. Nimm das Auto und stell es in die Garage).
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Sprachproduktion

Der Wortschatz nimmt weiterhin rasant zu. Sämtliche Gegenstände aus dem alltäglichen Bereich des Kindes sollten benannt werden können. Auch die Farben sind nun komplett erworben. Weitere Präpositionen wie vor und neben werden korrekt verwendet.

Auf Ebene der Syntax (Satzlehre) entwickelt sich das Kind weiter. Es werden nun auch Fragen mit Fragewörtern korrekt gebildet. Das zweite Fragealter hat hier seinen Höhepunkt. Aussagesätze können mit bis zu sechs Wörtern gebildet werden. In Nebensätzen verwendet das Kind die Verbletzt-Stellung (z.B. …., weil Tim einen Kuchen wollte.). Die Zeiten werden besonders wichtig. Das ist natürlich an die Vorstellung und kognitive Entwicklung gekoppelt. Kinder können nun Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verstehen und sprachlich korrekt ausdrücken.
Regelmäßige Verben werden richtig konjugiert (z.B. Ich spiele, du spielst, er spielt.…).

Was die Artikulation betrifft, so kann man grob sagen, dass bis zum Ende des vierten Lebensjahres soweit alle Laute korrekt erworben werden. Ausnahmen stellen noch Konsonantenverbindungen dar, da sind Lautverbindungen von 2-3 Konsonanten wie gr, bl, spr, tr, kn,… . Auch der Laut /s/ darf noch etwas undeutlich gesprochen werden. Für eine genauere Darstellung des Lauterwerbs empfehle ich diesen Artikel.

Sprachentwicklung: 4 bis 5 Jahre

Sprachverständnis

Das Kind versteht komplexere und längere Äußerungen. Es kann z.B. drei Anweisungen in Folge verstehen (z.B. Räum dein Spielzeug auf, zieh dir die Jacke an und geh zur Tür.).
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Sprachproduktion

Der Wortschatz in diesem Alter wird auf rund 8.000 Wörter geschätzt. Auch das kann niemand mehr zählen. Kinder sprechen artikulatorisch und grammatikalisch meist fehlerfrei und erzählen in längeren zusammenhängenden Äußerungen. Der Wortschatz wird differenzierter. Es können Oberbegriffe (z.B. Tiere, Blumen, Spielzeug) verwendet werden. Auch abstrakte Nomina, kommen zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Hauptwörter, die sich auf keinen konkreten Gegenstand beziehen, sondern etwas bezeichnen, das man sich nur vorstellen kann, wie Freude, Kampf, Wut oder Liebe.

Sprachentwicklung: 5 bis 6 Jahre

Die Sprachentwicklung ist bis zum Ende des 6. Lebensjahres größtenteils abgeschlossen. Das Kind spricht weitgehend fehlerfrei und kann sich problemlos mit Gleichaltrigen und Erwachsenen unterhalten, ohne über den Wortgebrauch nachdenken zu müssen. Das Kind kann sich in unterschiedlicher Weise zu bestimmten Situationen äußern (z.B. sagt es bei der Begrüßung Auf wiedersehen, bis zum nächsten Mal, Servus, bis morgen oder was auch immer gerade zur jeweiligen Situation passt). Es kann längeren Geschichten zuhören und diese auch korrekt wiedergeben. In der alltäglichen Kommunikation sind keine sprachlichen Probleme mehr vorhanden; auch artikulatorisch spricht das Kind einwandfrei.

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Bilderbuch anschauen und Sprache fördern

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Bilderbuch anschauen erzeugt Nähe

Gerade im Alter von 2-3 Jahren lässt sich optimal mit einem Bilderbuch Sprache fördern. Bilderbücher sind in diesem Alter eine optimale Quelle zur Sprachförderung. Beim Bilderbuch anschauen sind Sie in einer wohligen Umgebung und meist 1:1-Situation mit Ihrem Kind. Kinder genießen diese Nähe genauso wie Mamas und Papas. Außerdem schauen Kinder in diesem Alter meist gerne ein Bilderbuch an. Viele von Ihnen haben auch unzählige Bücher daheim und so benötigt man für diese Methode zur Sprachförderung wenig Materialaufwand. Das Wichtigste, was Sie geben müssen oder dürfen, ist Ihre Zeit.

Freiraum beim Bilderbuch anschauen

Beim Bilderbuch anschauen geht es v. a. darum, dass Sie Ihrem Kind den freien Raum geben, zur sprachlichen Gestaltung. Kinder dürfen blättern, wohin sie wollen und erzählen, was sie wollen. Grundsätzlich haben hat ein Kind Freude daran, in einem Buch gekannte Gegenstände aus seinem persönlichem Umfeld zu entdecken. Da sieht es einen schönen Ball oder ein Kind, welches sich gerade die Zähne putzt. Es ist nachgewiesen, dass Kinder beim Bilderbuch anschauen mehr und unterschiedlichere Wörter produzieren als beim Spielen. So können Sie ganz nebenbei mit einem beliebigen (altersgeeigneten) Bilderbuch Sprache fördern.

Störfaktoren ausschalten

Beim Bilderbuch anschauen gibt es allerdings wichtige Vorgehensweisen zu beachten, wenn man sein Kind sprachlich fördern möchte. Es sollte eigentlich eine Selbständigkeit sein, dass nebenher keine weiteren Medienkanäle und sonstige Ablenkungen stören. Trotzdem möchte ich es hier explizit erwähnen, weil die heutige Gesprächskultur stark degeneriert ist und gerade bei der sprachlichen Unterstützung kleinerer Kinder kontraproduktiv ist. Das heißt: Handys sind wegzulegen und auf lautlos zu stellen, Fernseher und Radio sind auszuschalten (sofern an), PC ist zuzuklappen, sämtliche Spiele sind wegzuräumen. Suchen Sie sich einen gemütlichen Platz und es kann losgehen.

Das Kind entscheidet

Lassen Sie Ihr Kind ein Buch aussuchen. Es ist komplett egal, welches Buch Ihr Kind anschauen möchte, solange es altersgerecht ist. Und wenn es das Buch ist, das Sie schon zum 36. Mal anschauen. Ihr Kind entscheidet, nicht Sie! Genauso verhalten Sie sich, wenn es um das Aufschlagen des Buches geht. Das ausgesuchte Buch muss nicht zwingend von vorne bis hinten angeschaut werden. Lassen Sie Ihr Kind eine Seite aufschlagen und schauen Sie das Buch an. Versuchen Sie Ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, wohin das Kind im Bilderbuch schaut. Reagieren Sie darauf mit sprachlichen Äußerungen. Beispiel: Marie hat eine Seite in einem Bauernhofbuch aufgeschlagen. Die Seite zeigt einen Stall mit  einer Kuh im Vordergrund. Im Hintergrund sehen Sie Ackerland und einen Traktor ganz klein sichtbar. Das Kind zeigt auf den Traktor. Sie können sagen: “Ui, der Traktor fährt auf dem Feld.”

Diese Joint-attention (geteilte Aufmerksamkeit) ist immer Grundlage einer Kommunikation. Nur so können Sie sprachlich eine fördernde Situation herstellen. Stellen Sie sich vor, das Kind zeigt auf den Traktor und Sie sagen: “Schau mal, Marie, die Kuh macht muuuuuh!” Das wäre für das Kind erstmal verwirrend. Orientieren Sie sich beim Bilderbuch anschauen am gemeinsamen Hinschauen. Das Wichtige dabei ist: Sie folgen der Aufmerksamkeit des Kindes und nicht umgekehrt. Es können so Situationen hervorgerufen werden, in denen das Kind durch das Bilderbuch Sprache vermehrt benützt. Wählt man z.B. als Erwachsene eine Seite oder möchte man selber das Bilderbuch anschauen lenken, kommt es häufig zu einem Verhalten, das für die Sprachförderung eher kontraproduktiv ist.

Probleme beim Buch anschauen?

Bilderbuch anschauen klappt nicht so gut? Ihr Kind blättert nur oder sträubt sich ganz und gar, still zu sitzen und ein Buch anzuschauen? Wenn Ihr Kind 1 bis 2 Jahre alt ist und noch nicht gerne Bilderbücher anschaut, kann es sein, dass es mit Bildern noch nichts anfangen kann. Bilderbücher enthalten nun mal vorwiegend Bilder. Und das ist auch gut so, denn Bilderbücher sind in der Regel genau für die Altersgruppe von 1-3 Jahren gedacht. Es geht also nicht darum, möglichst lange Texte oder Geschichten vorzulesen. Das können Kinder in diesem Alter noch nicht so gut verarbeiten. Erst einmal sollen Kinder “nur” die einzelnen Bilder, die in den Bilderbüchern abgebildet sind, betrachten. Nur betrachten? 

Ein Bild betrachten und erkennen ist bereits eine riesige kognitive Leistung. Warum? Um ein abgebildetes Auto zu erkennen, muss man erst einmal wissen, was ein Auto ist und im besten Fall auch einmal ein echtes Auto gesehen haben. Dann muss man sich davon im Kopf auch ein Bild machen, damit man es auf dem Bild im Bilderbuch erkennen kann und letztlich auch einen Zusammenhang herstellen kann. Erst dann kann ein Wortlaut zu diesem Bild abgespeichert werden. Wir benötigen also zuerst eine Idee, ein Bild von einem Gegenstand oder einer Tätigkeit im Kopf, um dazu auch ein Wort (z.B. Baum, Apfel, streicheln) abspeichern zu können.

Nun kann es sein, dass ein Kind genau dabei Probleme hat und sich von den Gegenständen um sich herum und den Dingen, die es als wichtig empfindet, noch kein Bild im Kopf gemacht hat. Es hat Gegenstände noch nicht so richtig be-griffen und verstanden. Dann können Sie davon ausgehen, dass es auch kein Interesse am Buch anschauen hat und damit total überfordert ist. Sehr wahrscheinlich hat es auch noch Probleme beim Sprechen. In diesem Fall macht es Sinn, das Kind in seinen sprachlichen Vorläuferfähigkeiten zu schulen; damit meine ich Blickkontakt, Turn-Taking, Zeigegesten, Handlungsergebnis erkennen, Ich-Bewusstsein, Versteck-Spiel, Objektpermanenz, Funktionsspiel, Symbolspiel, sequentielles Spielen, usw. Sie als Elternteil können das selber in die Hand nehmen und Ihrem Kind helfen. Lesen Sie dazu hier mehr.