
Bilderbuch anschauen erzeugt Nähe
Gerade im Alter von 2-3 Jahren lässt sich optimal mit einem Bilderbuch Sprache fördern. Bilderbücher sind in diesem Alter eine optimale Quelle zur Sprachförderung. Beim Bilderbuch anschauen sind Sie in einer wohligen Umgebung und meist 1:1-Situation mit Ihrem Kind. Kinder genießen diese Nähe genauso wie Mamas und Papas. Außerdem schauen Kinder in diesem Alter meist gerne ein Bilderbuch an. Viele von Ihnen haben auch unzählige Bücher daheim und so benötigt man für diese Methode zur Sprachförderung wenig Materialaufwand. Das Wichtigste, was Sie geben müssen oder dürfen, ist Ihre Zeit.
Freiraum beim Bilderbuch anschauen
Beim Bilderbuch anschauen geht es v. a. darum, dass Sie Ihrem Kind den freien Raum geben, zur sprachlichen Gestaltung. Kinder dürfen blättern, wohin sie wollen und erzählen, was sie wollen. Grundsätzlich haben hat ein Kind Freude daran, in einem Buch gekannte Gegenstände aus seinem persönlichem Umfeld zu entdecken. Da sieht es einen schönen Ball oder ein Kind, welches sich gerade die Zähne putzt. Es ist nachgewiesen, dass Kinder beim Bilderbuch anschauen mehr und unterschiedlichere Wörter produzieren als beim Spielen. So können Sie ganz nebenbei mit einem beliebigen (altersgeeigneten) Bilderbuch Sprache fördern.
Störfaktoren ausschalten
Beim Bilderbuch anschauen gibt es allerdings wichtige Vorgehensweisen zu beachten, wenn man sein Kind sprachlich fördern möchte. Es sollte eigentlich eine Selbständigkeit sein, dass nebenher keine weiteren Medienkanäle und sonstige Ablenkungen stören. Trotzdem möchte ich es hier explizit erwähnen, weil die heutige Gesprächskultur stark degeneriert ist und gerade bei der sprachlichen Unterstützung kleinerer Kinder kontraproduktiv ist. Das heißt: Handys sind wegzulegen und auf lautlos zu stellen, Fernseher und Radio sind auszuschalten (sofern an), PC ist zuzuklappen, sämtliche Spiele sind wegzuräumen. Suchen Sie sich einen gemütlichen Platz und es kann losgehen.
Das Kind entscheidet
Lassen Sie Ihr Kind ein Buch aussuchen. Es ist komplett egal, welches Buch Ihr Kind anschauen möchte, solange es altersgerecht ist. Und wenn es das Buch ist, das Sie schon zum 36. Mal anschauen. Ihr Kind entscheidet, nicht Sie! Genauso verhalten Sie sich, wenn es um das Aufschlagen des Buches geht. Das ausgesuchte Buch muss nicht zwingend von vorne bis hinten angeschaut werden. Lassen Sie Ihr Kind eine Seite aufschlagen und schauen Sie das Buch an. Versuchen Sie Ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, wohin das Kind im Bilderbuch schaut. Reagieren Sie darauf mit sprachlichen Äußerungen. Beispiel: Marie hat eine Seite in einem Bauernhofbuch aufgeschlagen. Die Seite zeigt einen Stall mit einer Kuh im Vordergrund. Im Hintergrund sehen Sie Ackerland und einen Traktor ganz klein sichtbar. Das Kind zeigt auf den Traktor. Sie können sagen: “Ui, der Traktor fährt auf dem Feld.”
Diese Joint-attention (geteilte Aufmerksamkeit) ist immer Grundlage einer Kommunikation. Nur so können Sie sprachlich eine fördernde Situation herstellen. Stellen Sie sich vor, das Kind zeigt auf den Traktor und Sie sagen: “Schau mal, Marie, die Kuh macht muuuuuh!” Das wäre für das Kind erstmal verwirrend. Orientieren Sie sich beim Bilderbuch anschauen am gemeinsamen Hinschauen. Das Wichtige dabei ist: Sie folgen der Aufmerksamkeit des Kindes und nicht umgekehrt. Es können so Situationen hervorgerufen werden, in denen das Kind durch das Bilderbuch Sprache vermehrt benützt. Wählt man z.B. als Erwachsene eine Seite oder möchte man selber das Bilderbuch anschauen lenken, kommt es häufig zu einem Verhalten, das für die Sprachförderung eher kontraproduktiv ist.
Probleme beim Buch anschauen?
Bilderbuch anschauen klappt nicht so gut? Ihr Kind blättert nur oder sträubt sich ganz und gar, still zu sitzen und ein Buch anzuschauen? Wenn Ihr Kind 1 bis 2 Jahre alt ist und noch nicht gerne Bilderbücher anschaut, kann es sein, dass es mit Bildern noch nichts anfangen kann. Bilderbücher enthalten nun mal vorwiegend Bilder. Und das ist auch gut so, denn Bilderbücher sind in der Regel genau für die Altersgruppe von 1-3 Jahren gedacht. Es geht also nicht darum, möglichst lange Texte oder Geschichten vorzulesen. Das können Kinder in diesem Alter noch nicht so gut verarbeiten. Erst einmal sollen Kinder “nur” die einzelnen Bilder, die in den Bilderbüchern abgebildet sind, betrachten. Nur betrachten?
Ein Bild betrachten und erkennen ist bereits eine riesige kognitive Leistung. Warum? Um ein abgebildetes Auto zu erkennen, muss man erst einmal wissen, was ein Auto ist und im besten Fall auch einmal ein echtes Auto gesehen haben. Dann muss man sich davon im Kopf auch ein Bild machen, damit man es auf dem Bild im Bilderbuch erkennen kann und letztlich auch einen Zusammenhang herstellen kann. Erst dann kann ein Wortlaut zu diesem Bild abgespeichert werden. Wir benötigen also zuerst eine Idee, ein Bild von einem Gegenstand oder einer Tätigkeit im Kopf, um dazu auch ein Wort (z.B. Baum, Apfel, streicheln) abspeichern zu können.
Nun kann es sein, dass ein Kind genau dabei Probleme hat und sich von den Gegenständen um sich herum und den Dingen, die es als wichtig empfindet, noch kein Bild im Kopf gemacht hat. Es hat Gegenstände noch nicht so richtig be-griffen und verstanden. Dann können Sie davon ausgehen, dass es auch kein Interesse am Buch anschauen hat und damit total überfordert ist. Sehr wahrscheinlich hat es auch noch Probleme beim Sprechen. In diesem Fall macht es Sinn, das Kind in seinen sprachlichen Vorläuferfähigkeiten zu schulen; damit meine ich Blickkontakt, Turn-Taking, Zeigegesten, Handlungsergebnis erkennen, Ich-Bewusstsein, Versteck-Spiel, Objektpermanenz, Funktionsspiel, Symbolspiel, sequentielles Spielen, usw. Sie als Elternteil können das selber in die Hand nehmen und Ihrem Kind helfen. Lesen Sie dazu hier mehr.